Sonntag, 20. Juli 2014

Politische Lage in Ecuador

Einer der spannendsten Aspekte für mich, bevor ich nach Ecuador kam, war zu erfahren, wie die Politik Rafael Correas im Land selbst empfunden wird und ob wirklich alles so makellos ist, wie man es im Ausland mitbekommt. Ich muss zugeben, dass ich als sogenannter Correista (pro Correa) hergekommen bin. Correa hat unheimlich viel für dieses Land getan. Die Armut sowie die soziale Ungleichheit haben im Laufe seiner Amtszeit deutlich abgenommen (Armutsrate fiel von 38% auf 24%; Gini-Koeffizient sank von 0,54 auf 0,46). Dies ist vor allem den Sozialleistungen zu verdanken, die er an Bedürftige auszahlen lässt. Allerdings ist es hierbei ein bisschen fragwürdig, wie nachhaltig dies ist, denn sobald ihm das Geld ausgeht (was mehr als absehbar ist) und er diese Leistungen nicht mehr zahlen kann, fallen diese Leute wohl zurück unter die Armutsgrenze. Denn der Großteil der Einnahmen Ecuadors stammt aus der Förderung des Erdöls, welches ja bekanntlich nicht unerschöpflich ist. Deshalb auch die heiße Debatte um die Förderung im Nationalpark Yasuní. Von der ITT-Initiative, welche Correa vor einigen Jahren ins Leben gerufen hatte, hat man ja auch in Deutschland gehört. Er schlug dabei vor, das Erdöl im Yasuní nicht zu fördern und somit die einzigartige Biodiversität sowie die unberührt lebenden, indigenen Völker im Park zu schützen. Als Gegenleistung verlangte er von der internationalen Gemeinschaft, die Hälfte des entgangenen Umsatzes. Deutschland war auf diesen Vorschlag leider nicht eingegangen, zumindest nicht in der Art und Weise wie es Correa gern gehabt hätte. Deutschland war bereit seinen Anteil in Entwicklungsprojekten zu „zahlen“, anstatt Correa das Geld bedingungslos zu überlassen. Darüber lässt sich nun streiten. Die ITT-Initiative ist jedenfalls gescheitert und nun wird gebohrt. Allerdings sollte die ecuadorianische Bevölkerung da doch auch noch ein Wörtchen mitzureden haben, vor allem in einer Demokratie, in der sich Correa immer mit Partizipation und Volksentscheiden rühmt. Die Initiative YASunidos hat sogar fast 600.000 Unterschriften gesammelt, um einen Volksentscheid  herbeizuführen, doch der nationale Wahlrat hat einen Großteil dieser als ungültig erklärt, womit die Mindestanzahl letztendlich nicht erreicht wurde. Abgesehen davon ist es sowieso fraglich, ob sich die Bevölkerung gegen die Förderung ausgesprochen hätte, denn allen ist klar, dass die Entwicklung Ecuadors der letzten Jahre dem Erdöl zu verdanken ist. Beim Abwägen zwischen der Erhaltung der einzigartigen Natur und weiteren Investitionen in Bildung etc., entscheiden sich viele verständlicherweise eher für Letztes. 


Wie dem auch sei, klar ist, dass das Erdöl früher oder später dem Ende zugeht und Ecuador dann eine andere Einnahmequelle braucht. Um die Nachhaltigkeit des Wirtschaftsmodells sicherzustellen, setzt die Regierung derzeit stark auf den sogenannten Cambio de la Matiz Productiva (Veränderung der Produktionsmatix), denn bisher ist der Primärgütersektor die treibende Wirtschaftskraft. Das soll sich nun ändern. Dabei sollen Sektoren wie Biotechnologie, erneuerbare Energien, Pharmaindustrie, Petrolchemie, Tourismus, etc. ausgebaut und weiterentwickelt werden. Bis jetzt kann man/ich schwer einschätzen, in wie weit das Vorhaben Erfolge verzeichnet. Den vielen Werbefilmchen der Regierung nach zu urteilen, läuft‘s natürlich supi. Sicher ist aber, dass Ecuador unheimlich viele Stipendien für ein Auslandsstudium in den strategischen Sektoren vergibt. Fast alle Studenten, die ich hier kennengelernt habe, haben dies schon in Anspruch genommen, tun es jetzt oder haben es noch vor. Anschließend müssen die Begünstigten mindestens die doppelte Zeit des Auslandsstudiums in Ecuador arbeiten. 

Dies sind die kleinen Veränderungen von denen man direkt etwas mitbekommt, ansonsten wird man von der Regierung ziemlich zugespamt mit populistischen Nachrichten, Schriftzügen und Sendungen. Correa selbst verwendet gern das Vokabular der Revolución Ciudadana (Bürgerrevolution) oder des Sozialismus des XXI Jahrhunderts, mit welchem er dem Neoliberalismus ja offiziell den Krieg erklärt hat. Jeden Samstagmorgen darf man sich in der sogenannten Sabatina die Errungenschaften der letzten Woche vom Präsidenten persönlich im Radio anhören und jedem Montagabend wird auf allen Fernsehkanälen eine Sendung über die Wohltaten des Staates geschaltet. Zugeben muss man allerdings auch, dass Correa ein sehr guter Redner ist. Ich selbst kann ihm stundenlang zuhören, zumindest wenn er nicht grad Lobeshymnen auf sich selbst singt. Und klar ist auch, dass das Land ein starkes Oberhaupt sowie Kontinuität braucht, nachdem es vor 2007 sieben Präsidenten innerhalb eines Jahrzehnts gab. Danach repräsentieren die Verfassung von 2008 und der Plan del Buen Vivir (eine Art Entwicklungsplan) eine fundierte Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung des Landes. Ob diese vielversprechenden Grundlagendokumente nun in die Praxis umgesetzt werden, oder ob Correa weiterhin hauptsächlich seiner Machtsucht nachgeht und der Staatsapparat immer weiter anschwillt und immer weniger handlungsfähig wird, muss sich zeigen. 

Im Einklang mit den Souveränitätsbestrebungen Ecuadors, werden die Anforderungen und Einschränkungen im Hinblick auf die internationale Zusammenarbeit immer strenger (bezüglich der Themen sowie der Art der Zusammenarbeit). Aus diesem Grund fahren Belgien, Spanien, die USA, die EU insgesamt ihre finanzielle und technische Zusammenarbeit zurück. Die USA haben sich offiziell sogar ganz aus Ecuador zurückgezogen. Damit steht Deutschland nun als größter Geber da, vermutlich da am anpassungsfähigsten an die Vorstellungen der Regierung.

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