Einer
der spannendsten Aspekte für mich, bevor ich nach Ecuador kam, war zu erfahren,
wie die Politik Rafael Correas im Land selbst empfunden wird und ob wirklich
alles so makellos ist, wie man es im Ausland mitbekommt. Ich muss zugeben, dass
ich als sogenannter Correista (pro Correa) hergekommen bin. Correa hat unheimlich
viel für dieses Land getan. Die Armut sowie die soziale Ungleichheit haben im
Laufe seiner Amtszeit deutlich abgenommen (Armutsrate fiel von 38% auf 24%;
Gini-Koeffizient sank von 0,54 auf 0,46). Dies ist vor allem den
Sozialleistungen zu verdanken, die er an Bedürftige auszahlen lässt. Allerdings
ist es hierbei ein bisschen fragwürdig, wie nachhaltig dies ist, denn sobald
ihm das Geld ausgeht (was mehr als absehbar ist) und er diese Leistungen nicht mehr
zahlen kann, fallen diese Leute wohl zurück unter die Armutsgrenze. Denn der
Großteil der Einnahmen Ecuadors stammt aus der Förderung des Erdöls, welches
ja bekanntlich nicht unerschöpflich ist. Deshalb auch die heiße Debatte um die
Förderung im Nationalpark Yasuní. Von der ITT-Initiative, welche Correa vor
einigen Jahren ins Leben gerufen hatte, hat man ja auch in Deutschland gehört.
Er schlug dabei vor, das Erdöl im Yasuní nicht zu fördern und somit die
einzigartige Biodiversität sowie die unberührt lebenden, indigenen Völker im
Park zu schützen. Als Gegenleistung verlangte er von der internationalen
Gemeinschaft, die Hälfte des entgangenen Umsatzes. Deutschland war auf diesen
Vorschlag leider nicht eingegangen, zumindest nicht in der Art und Weise wie es
Correa gern gehabt hätte. Deutschland war bereit seinen Anteil in Entwicklungsprojekten
zu „zahlen“, anstatt Correa das Geld bedingungslos zu überlassen. Darüber lässt
sich nun streiten. Die ITT-Initiative ist jedenfalls gescheitert und nun wird
gebohrt. Allerdings sollte die ecuadorianische Bevölkerung da doch auch noch
ein Wörtchen mitzureden haben, vor allem in einer Demokratie, in der sich
Correa immer mit Partizipation und Volksentscheiden rühmt. Die Initiative YASunidos hat sogar fast 600.000
Unterschriften gesammelt, um einen Volksentscheid herbeizuführen, doch der nationale Wahlrat
hat einen Großteil dieser als ungültig erklärt, womit die Mindestanzahl
letztendlich nicht erreicht wurde. Abgesehen davon ist es sowieso fraglich, ob
sich die Bevölkerung gegen die Förderung ausgesprochen hätte, denn allen ist
klar, dass die Entwicklung Ecuadors der letzten Jahre dem Erdöl zu verdanken
ist. Beim Abwägen zwischen der Erhaltung der einzigartigen Natur und weiteren
Investitionen in Bildung etc., entscheiden sich viele verständlicherweise eher
für Letztes.
Wie dem auch sei, klar ist, dass das Erdöl früher oder später dem
Ende zugeht und Ecuador dann eine andere Einnahmequelle braucht. Um die
Nachhaltigkeit des Wirtschaftsmodells sicherzustellen, setzt die Regierung
derzeit stark auf den sogenannten Cambio
de la Matiz Productiva (Veränderung der Produktionsmatix), denn bisher ist
der Primärgütersektor die treibende Wirtschaftskraft. Das soll sich nun ändern. Dabei sollen Sektoren wie
Biotechnologie, erneuerbare Energien, Pharmaindustrie, Petrolchemie, Tourismus,
etc. ausgebaut und weiterentwickelt werden. Bis jetzt kann man/ich schwer
einschätzen, in wie weit das Vorhaben Erfolge verzeichnet. Den vielen
Werbefilmchen der Regierung nach zu urteilen, läuft‘s natürlich supi. Sicher
ist aber, dass Ecuador unheimlich viele Stipendien für ein Auslandsstudium in
den strategischen Sektoren vergibt. Fast alle Studenten, die ich hier
kennengelernt habe, haben dies schon in Anspruch genommen, tun es jetzt oder
haben es noch vor. Anschließend müssen die Begünstigten mindestens die doppelte
Zeit des Auslandsstudiums in Ecuador arbeiten.
Dies sind die kleinen
Veränderungen von denen man direkt etwas mitbekommt, ansonsten wird man von der
Regierung ziemlich zugespamt mit populistischen Nachrichten, Schriftzügen und Sendungen.
Correa selbst verwendet gern das Vokabular der Revolución Ciudadana (Bürgerrevolution) oder des Sozialismus des
XXI Jahrhunderts, mit welchem er dem Neoliberalismus ja offiziell den Krieg
erklärt hat. Jeden Samstagmorgen darf man sich in der sogenannten Sabatina die
Errungenschaften der letzten Woche vom Präsidenten persönlich im Radio anhören
und jedem Montagabend wird auf allen Fernsehkanälen eine Sendung über die
Wohltaten des Staates geschaltet. Zugeben muss man allerdings auch, dass Correa
ein sehr guter Redner ist. Ich selbst kann ihm stundenlang zuhören, zumindest
wenn er nicht grad Lobeshymnen auf sich selbst singt. Und klar ist auch, dass
das Land ein starkes Oberhaupt sowie Kontinuität braucht, nachdem es vor 2007 sieben
Präsidenten innerhalb eines Jahrzehnts gab. Danach repräsentieren die Verfassung
von 2008 und der Plan del Buen Vivir
(eine Art Entwicklungsplan) eine fundierte Grundlage für eine nachhaltige
Entwicklung des Landes. Ob diese vielversprechenden Grundlagendokumente nun in
die Praxis umgesetzt werden, oder ob Correa weiterhin hauptsächlich seiner
Machtsucht nachgeht und der Staatsapparat immer weiter anschwillt und immer
weniger handlungsfähig wird, muss sich zeigen.
Im Einklang mit den Souveränitätsbestrebungen
Ecuadors, werden die Anforderungen und Einschränkungen im Hinblick auf die
internationale Zusammenarbeit immer strenger (bezüglich der Themen sowie der
Art der Zusammenarbeit). Aus diesem Grund fahren Belgien, Spanien, die USA, die
EU insgesamt ihre finanzielle und technische Zusammenarbeit zurück. Die USA
haben sich offiziell sogar ganz aus Ecuador zurückgezogen. Damit steht
Deutschland nun als größter Geber da, vermutlich da am anpassungsfähigsten an die
Vorstellungen der Regierung.
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