Puerto Quito ist ein sympathisches, kleines Dorf ganz in der
Nähe von Pedro Vicente, wo wir zur Nationalversammlung der GIZ waren. Dort
hatte mein Kollege Daniel vor sieben Jahren seinen Zivildienst abgeleistet. Somit
hat er da noch Freunde, Gastfamilie und seine Schüler, die er damals dort
unterrichtete. Die sind wir am Wochenende besuchen gefahren.
Unheimlich
nett aufgenommen wurden wir von Don Emilio, der uns viel über die Entstehung
und die Entwicklung des Dorfes erzählte sowie über die Landwirtschaft in der tropischen
Gegend, die seiner Meinung nach mit Pestiziden und Giften nicht nur den Boden
auslaugt, sondern auch die Menschen krank macht. Er ist nicht nur über die lokalen Probleme sehr gut informiert, sondern interessiert sich auch sehr für die globalen Herausforderungen der Gegenwart, sodass wir uns lange und ausgiebig mit ihm unterhalten haben.
Wir machten auch noch andere interessante Bekanntschaften. Unter anderem einige von Daniels ehemaligen
Schülerinnen. Sie waren damals zu seinem Zivildienst um die 10 Jahre alt, sprich heute etwa 17. Umso
schockierter waren wir, als wir erfuhren, dass die meisten von ihnen nun schon
Kinder haben. Von diesem Problem der Mutterschaft Minderjähriger hier in Ecuador
hatte ich vorher schon gehört, doch es ist noch einmal etwas anderes, die
Einzelschicksale kennenzulernen. Ein Mädchen namens Estelita wurde anscheinend
im Alter von 16 Jahren von einem 24-jähigen schwanger. Jetzt werdet ihr sagen
„selber schuld“ oder „wie verantwortungslos“, aber ganz so voreilig sollte man
das nicht verurteilen. Mit dem Thema Sex wird man hier zwar im Fernsehen,
Internet, Musik etc. ständig und im Überfluss konfrontiert, doch innerhalb der
Familien ist es ein absolutes Tabu. Die meisten Eltern wissen zwar um das Problem
der frühen Schwangerschaften, aber sind dennoch so naiv zu glauben: „mein
Kindchen macht das nicht“. Aufklärung gibt es so gut wie gar nicht. Die
Religion und die Konservativität halten die Eltern davon ab, mit ihren Kindern
ein so dringend nötiges, aufklärendes Gespräch zu führen. Auch Estelitas Mutter
hat sich gegenüber uns als Opfer dargestellt. Sie meinte „unsere Tochter hat
uns betrogen“ und „ … plötzlich war die Überraschung da“. Mittlerweile ist die
kleine Gema schon neun Monate alt, aber der Haussegen scheint immer noch extrem
schief zu hängen, wie wir während unseres Gesprächs mitbekommen haben. Der Vater,
ein angesehener Arzt in Puerto Quito, soll sogar (laut Gerüchten im Dorf) dem
24-jähigren Muchacho mit einer Waffe aufgelauert haben, um ihn umzubringen. Außerdem
hat er ihn wohl wegen Vergewaltigung angezeigt, doch dies scheint aussichtslos,
da Estelita nie etwas Derartiges bestätigt hat. Als schüchternes,
16-jähriges Mädchen, das sich zum ersten Mal verliebt hat, wird sie wohl in ihrer
Naivität ihrem Freund vertraut haben, der sie mit Behauptungen wie „da passiert
schon nichts; ich habe alles unter Kontrolle“ oder ähnlichem überredet hat.
Estelita
gibt mit ihrer Tochter ein kurioses Bild ab: sie ist so dünn und zärtlich, dass
sie das dick gefütterte Kind kaum in den Armen halten kann. Immer wieder
übergibt sie es ihrer Mutter. Der einzige und entscheidende Lichtblick in der jetzigen Situation: Die
Familie hat dank ihrer Apotheke und den Beruf des Vaters ordentlich Geld,
sodass es zumindest nicht am Finanziellen scheitern sollte, das kleine Mädchen aufzuziehen und dank der Unterstützung ihrer widerwilligen Familie wird Estelita wohl auch wie geplant auf die Uni gehen können.
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