Donnerstag, 7. August 2014

Puerto Quito


Puerto Quito ist ein sympathisches, kleines Dorf ganz in der Nähe von Pedro Vicente, wo wir zur Nationalversammlung der GIZ waren. Dort hatte mein Kollege Daniel vor sieben Jahren seinen Zivildienst abgeleistet. Somit hat er da noch Freunde, Gastfamilie und seine Schüler, die er damals dort unterrichtete. Die sind wir am Wochenende besuchen gefahren. 

Unheimlich nett aufgenommen wurden wir von Don Emilio, der uns viel über die Entstehung und die Entwicklung des Dorfes erzählte sowie über die Landwirtschaft in der tropischen Gegend, die seiner Meinung nach mit Pestiziden und Giften nicht nur den Boden auslaugt, sondern auch die Menschen krank macht. Er ist nicht nur über die lokalen Probleme sehr gut informiert, sondern interessiert sich auch sehr für die globalen Herausforderungen der Gegenwart, sodass wir uns lange und ausgiebig mit ihm unterhalten haben.

Wir machten auch noch andere interessante Bekanntschaften. Unter anderem einige von Daniels ehemaligen Schülerinnen. Sie waren damals zu seinem Zivildienst um die 10 Jahre alt, sprich heute etwa 17. Umso schockierter waren wir, als wir erfuhren, dass die meisten von ihnen nun schon Kinder haben. Von diesem Problem der Mutterschaft Minderjähriger hier in Ecuador hatte ich vorher schon gehört, doch es ist noch einmal etwas anderes, die Einzelschicksale kennenzulernen. Ein Mädchen namens Estelita wurde anscheinend im Alter von 16 Jahren von einem 24-jähigen schwanger. Jetzt werdet ihr sagen „selber schuld“ oder „wie verantwortungslos“, aber ganz so voreilig sollte man das nicht verurteilen. Mit dem Thema Sex wird man hier zwar im Fernsehen, Internet, Musik etc. ständig und im Überfluss konfrontiert, doch innerhalb der Familien ist es ein absolutes Tabu. Die meisten Eltern wissen zwar um das Problem der frühen Schwangerschaften, aber sind dennoch so naiv zu glauben: „mein Kindchen macht das nicht“. Aufklärung gibt es so gut wie gar nicht. Die Religion und die Konservativität halten die Eltern davon ab, mit ihren Kindern ein so dringend nötiges, aufklärendes Gespräch zu führen. Auch Estelitas Mutter hat sich gegenüber uns als Opfer dargestellt. Sie meinte „unsere Tochter hat uns betrogen“ und „ … plötzlich war die Überraschung da“. Mittlerweile ist die kleine Gema schon neun Monate alt, aber der Haussegen scheint immer noch extrem schief zu hängen, wie wir während unseres Gesprächs mitbekommen haben. Der Vater, ein angesehener Arzt in Puerto Quito, soll sogar (laut Gerüchten im Dorf) dem 24-jähigren Muchacho mit einer Waffe aufgelauert haben, um ihn umzubringen. Außerdem hat er ihn wohl wegen Vergewaltigung angezeigt, doch dies scheint aussichtslos, da Estelita nie etwas Derartiges bestätigt hat. Als schüchternes, 16-jähriges Mädchen, das sich zum ersten Mal verliebt hat, wird sie wohl in ihrer Naivität ihrem Freund vertraut haben, der sie mit Behauptungen wie „da passiert schon nichts; ich habe alles unter Kontrolle“ oder ähnlichem überredet hat. 

Estelita gibt mit ihrer Tochter ein kurioses Bild ab: sie ist so dünn und zärtlich, dass sie das dick gefütterte Kind kaum in den Armen halten kann. Immer wieder übergibt sie es ihrer Mutter. Der einzige und entscheidende Lichtblick in der jetzigen Situation: Die Familie hat dank ihrer Apotheke und den Beruf des Vaters ordentlich Geld, sodass es zumindest nicht am Finanziellen scheitern sollte, das kleine Mädchen aufzuziehen und dank der Unterstützung ihrer widerwilligen Familie wird Estelita wohl auch wie geplant auf die Uni gehen können.

Keine Kommentare: